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4. Schritt: Sprachfördernde Fragen

Beschreibung

Im Kindergarten findet sich eine Vielzahl an Alltagssituationen wie Gesprächskreise, Begrüßungen, Verabschiedungen, (Zwischen-)Mahlzeiten, freie Spielsituationen sowie angeleitete Angebote, innerhalb derer sich Fachperson-Kind-Interaktionen sprachlich gestalten lassen (Kucharz 2012). Dabei nimmt das Stellen von Fragen einen bedeutenden Platz ein. Wissenschaftliche Ergebnisse zeigen, dass elf Prozent der pädagogischen Sprachhandlungen Fragen sind (Briedigkeit 2011) – in einer dialogischen Bilderbuchbetrachtung liegt der Anteil deutlich höher.

Kinder werden über Fragen dazu angeregt, sprachliche Äußerungen zu formulieren und weiterführende Gedanken zu entwickeln. Dabei wird zwischen offenen und geschlossenen Fragen unterschieden, wobei in der pädagogischen Diskussion offene Fragen gegenüber geschlossenen Fragen bevorzugt werden (King et al. 2011; Siraj-Blatchford & Manni 2008; Whitehurst et al. 1999). Der Vorwurf lautet: Eine geschlossene Frage kann nur mit einem einzelnen Wort beantwortet werden (bspw. ja oder nein), eine offene Frage hingegen den Spracherwerb aktiv vorantreiben. Deshalb sollte die elementarpädagogische Fachperson, „offene Fragen stellen […], sogenannte W-Fragen“ (Kannengieser et al. 2013, 76).

Es kann je nach Sprachstand aber durchaus auch angemessen sein, alle Frageformen – auch geschlossenen Fragen – in eine wirksame Förderstrategie zu integrieren. So locken einzelne Fragetypen, wie Entscheidungs-, Ergänzungs- und Alternativfragen, oder verschiedene W-Fragen bestimmte sprachliche Formen hervor. Diese müssen immer mit den sprachlichen Fähigkeiten des jeweiligen Kindes abgeglichen werden. Einem Kind, das beispielsweise Wortbedeutungen sammelt und in Ein- bis Zwei-Wort-Sätzen spricht, ist mit einer Warum-Frage (Antwort im Nebensatz) nicht geholfen und kann damit überfordert sein. In seinem individuellen Spracherwerbsstadium profitiert es vielmehr von Fragen, die einen spezifischen Begriff abrufen (Was für ein…ist das?), besondere Merkmale eines Objekts erfragen (Welche Farbe hat etwas?) oder Wortverbindungen hervorlocken (Wozu braucht man es?).

Für eine spracherwerbsbezogene Begleitung und Förderung (Ruberg & Rothweiler 2012) von Kindern sind alle Fragen wirksam, die entwicklungsangemessen und schrittweise aufbauend ausgewählt werden (Vygotskij 1977).

 

SPRACHFÖRDERNDE FRAGEN KONKRET

Im Kindergartenalltag ist die Frage ein wichtiges elementarpädagogisches Hilfsmittel. Entscheidend dabei ist die Art der Fragen, also wie Fragen gestellt werden und wie sich in diesem Zusammenhang auch Kinder in das Gespräch einbringen können (König 2009; Dannenbauer 1994; Motsch 2010). Bei der Strategie des sprachfördernden Fragens können drei stimulierende Fragetypen unterschieden werden (Altmann 1993): die Entscheidungs-, Ergänzungs- und Alternativfragen.

FRAGEFORMAT

ANTWORT-STRUKTUR

BEREICHE DER

SPRACHBILDUNG

BEISPIELE

 

ENTSCHEIUNGS-FRAGEN

 

 

Zustimmung oder

Ablehnung

(ja, nein, doch)

 

Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand,

ein Thema oder

eine Entscheidung lenken

 

 

Möchtest du etwas trinken?

Kommst du gerade aus dem Garten?

Hast du schon einmal einen Adler gesehen?

 

 

ERGÄNZUNGS-FRAGEN

 

 

Einfache Substantive (Nominativ),

 

Ergänzungen im Dativ  oder Akkusativ,

 

Wortgruppe (mit Präpositionen),

 

Nebensatz mit Verb-Letztstellung

 

 

Wortschatzaufbau,

 

Wortschatzerweiterung,

 

Erwerb grammatikalischer Fähigkeiten

(Satzstrukturen,

Verbstellung,

grammatischer Fall)

 

 

Wer hat den roten Ball in der Hand?

Was bauen die Kinder in der Sandkiste?

Wen kannst du fragen?

Wem möchtest du die Zeichnung schenken?

Wo könntest du das Auto parken?

Worauf stehen die Kerzen?

Wo wartest du auf Valentin?

 

 

ALTERNATIV-FRAGEN

 

 

Wahlmöglichkeit

vorgegebener

Strukturen

(in Komplexität nicht eingeschränkt)

 

Satz- und Wortverständnis,

Wortbausteine,

Grammatischer Fall,

Satzstrukturen

 

Was macht der Bär, fressen oder essen?

Was hat Ben da vor sich im Topf, Fleisch oder Honig?

Stehen die Töpfe auf dem Boden oder im Schrank?

 

Tabelle 1 Förderpotenzial verschiedener Fragetypen Schönfelder 2015, S. 77

 

Entscheidungsfragen werden meist von der Fachperson an Kinder gestellt – beispielsweise eine Einstiegsfrage zum Lebensweltbezug (Warst du auch schon einmal …?). Durch das Zustimmen, Ablehnen oder Entscheiden auf Basis einer Frage, formuliert das Kind seinen (ersten) Gesprächsbeitrag. Das Kind wird in Entscheidungsprozesse miteinbezogen und erlebt sich als selbstwirksam, nimmt sich als aktive Teilnehmerin oder als aktiven Teilnehmer eines Gesprächs wahr und gewinnt dadurch Sicherheit in seinen eigenen sprachlichen Fähigkeiten.

Beim Anwenden von Entscheidungsfragen finden sich Ansätze der sensitiven Responsivität wieder (Remsperger 2013): Die elementarpädagogische Fachperson nimmt die kindlichen Signale wahr, knüpft daran an und falls passend, nutzt sie eine Entscheidungsfrage, um das Signal des Kindes feinfühlig aufzunehmen und ihm eine Lösung anzubieten.

Mit Hilfe von Entscheidungsfragen kann auch die Aufmerksamkeit auf ein Detail im Tageslauf oder ein bestimmtes Merkmal gelenkt werden oder ein neues Gesprächsthema in einen neuen Kontext gesetzt werden. Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass ein gemeinsamer Dialogfokus wiederum Voraussetzung für weitere Interaktionsprozesse ist. Auf dieser Basis findet auch der Transfer zur kindlichen Lebenswelt statt – was wiederum die Voraussetzung dafür darstellt, eigene Gedanken zu entwickeln und Inhalte zu vertiefen.

Die Anwendung von Ergänzungsfragen setzt voraus, dass Kinder schon ein gewisses Sprachniveau aufweisen bzw. sich sprachlich artikulieren und sich anhand von Text-, und Wortbausteinen ausdrücken können (Levelt 1989; Kannengieser 2009). Einzelne Wörter, Wortgruppen oder Teil-sätze werden durch Ergänzungsfragen abgerufen. Vor allem für den Aufbau und die Erweiterung des Wortschatzes sind Ergänzungsfragen besonders relevant. Durch Ergänzungsfragen können Kinder beispielsweise aufgefordert werden, Subjekte und Objekte zu benennen. Die pädagogische Fachperson kann überprüfen, ob Kindern bestimmte Begriffe, Eigenschaften und Merkmale bekannt sind. Damit gelingt es, die Worthülsen mit Bedeutung zu füllen und ein Begriffsnetzwerk aufzubauen. Auch grammatische Strukturen werden durch Ergänzungsfragen gefördert: Wer oder Was erfragt einfache Substantive. Um Kinder anzuregen, ein Wort in den richtigen Fall zu setzen, können die Fragewörter Wen (Akkusativ) und Wem (Dativ) eingesetzt werden. Warum ruft eine Nebensatzstruktur hervor und die Wo-Frage (Wo stehen die denn alle?) muss durch eine Wortgruppe mit Präpositionen (auf dem Tisch) beantwortet werden. In letztgenannter Form gibt es darüber hinaus eine entwicklungsangemessene Abstufung. So können grammatikalische Elemente wie Präpositionen bereits in die Frage eingebaut werden. Die Fragen „Auf wem?“, „Worauf?“, „Wo?“ bereiten schrittweise den Weg zur Wortgruppe vor und können entsprechend der sprachlichen Fähigkeiten ausgewählt werden. Bei Erwerbsbeginn werden die Satzstrukturen zunächst angebahnt. Dazu sollten möglichst viele grammatische Einheiten der Zielantwort vorgegeben werden. Die Frage Auf wem? präsentiert dem Kind die Präposition und den dazugehörigen Fall – sozusagen die ersten zwei Antwortelemente. Damit unterstützt die pädagogische Fachkraft das Kind, die richtige Präposition zu finden. Das Fragewort Wo würde die sprachliche Zielform beispielsweise nicht unterstützen. Das Inhaltswort muss selbstständig in eine Wortgruppe (Dativ) eingebettet werden.

Der dritte Typ sind Alternativfragen – dessen sprachbildende Potentiale im darin enthaltenen Sprachmodell liegen (Szagun 2011). Diese können dabei verschiedene Sprachebenen begleiten und unterstützen: den Erwerb lautlicher Besonderheiten (Was macht der Bär, fressen oder essen?), die Unterscheidung neuer Wortbausteine (Was hat der davor sich im Topf, Fleisch oder Honig?) oder die Darbietung schwieriger Satzstrukturen (Stehen die Töpfe auf dem Boden oder im Schrank?). Mit dieser Vielfalt gelingt es, an den sprachlichen Entwicklungsstand des Kindes anzuknüpfen. Somit hat die Alternativfrage einen besonderen Stellenwert in der frühen sprachlichen Bildung. Alternativfragen orientieren sich am nächsten Entwicklungsschritt, präsentieren neue Wörter und Satzstrukturen und bereiten den Übergang zu eigenständigen Formulierungen vor. Die frühpädagogische Fachperson präsentiert als Sprachvorbild die Strukturen, die das Kind eigenständig erwerben soll. Szagun beschreibt dabei das Wiederholen einer Modelläußerung als Imitation und unbewussten Lernprozess (Szagun 2011). Besonders Kinder mit Deutsch als Zweitsprache oder einem Förderbedarf profitieren von diesem Frageformat. Zudem lässt sich mit Alternativfragen das Sprachverständnis überprüfen (Schlesiger 2009). Verstehen Kinder die sprachlichen Anforderungen oder Inhaltswörter nicht, wählen sie oft die zuletzt genannte Antwortmöglichkeit aus.

Projektleitung

Univ.Prof.in Dr.in habil.

Catherine Walter-Laager

Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaften

Ansprechperson

Dr.in

Eva Pölzl-Stefanec

Strassoldogasse 10/I

Telefon:+43 316 380 - 8039

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